Wie sehr wir es gewohnt sind, uns persönlich zu treffen, um gemeinsam etwas auszuarbeiten, wird den meisten vermutlich erst jetzt bewusst. Man „steckt die Köpfe zusammen“, trifft sich zum Brainstorming, hofft auf die Weisheit der Gruppe. Arbeiten ist in hohem Maße interaktiv. Manchmal ist auch schon der Austausch von Süßigkeiten im Team das Highlight, das einen aus einer gedanklichen Sackgasse katapultiert.
Nun haben wir Video. Und Süßigkeiten. Und niemanden mit dem wir sie teilen (außer unserem Hund.)
Wir sind in den Video-Meetings neuerdings ungewöhnlich diszipliniert. Wir lauschen. Die Profis heben Kärtchen hoch mit flotten Pictogrammen, um sich nonverbal zu melden wie in der Schule. Und wir reden erst, wenn wir an der Reihe sind. Das funktioniert gut – ist aber auch so emotional wie der Terminator.
Ganz ehrlich? Ein trauriger Ersatz. Die Standbilder aus den Video-Konferenzen sprechen Bände. Meist ernste, konzentrierte Gesichter.
Die alten Stories funktionieren nicht mehr
Dabei gibt es viele tolle Ansätze. Gestern habe ich an einer Video-Session teilgenommen, in der mit Umfragen, begleitenden Chats, Bildern, eingespielten Videos gearbeitet wurde. Das war stellenweise inspirierend – fast schon gut. Aber es war noch weit entfernt von einem wirklich guten Online-Event. Die Erkenntnis ist: Wir müssen hier eine neue Form der Moderation und des Storytellings lernen.
Das gilt auch für die anderen Aspekte der Arbeit aus dem Home Office heraus. Es gibt Vorreiter auf diesem Gebiet, von denen wir uns einiges abgucken können. Da ist zum Beispiel das mit über einer Milliarde Dollar bewertete Unternehmen Automattic. Es entwickelt und betreibt das Webseiten-System Wordpress, auf dem 24 Prozent aller Homepages weltweit beruhen. Die 400 Mitarbeiter verteilen sich auf 40 Länder. Es gibt kaum gemeinsame Büros. Und E-Mails werden auch nicht benutzt. Wie kann das funktionieren? Indem das Unternehmen eine extrem schlanke und offene Kommunikationskultur pflegt – und für jeden Zweck das passende Werkzeug nutzt.
Gerade weil die Kommunikation auf vielen Ebenen stattfindet, ist die Online-Kommunikation reichhaltiger, interaktiver und lebendiger.
Was also ist Remote Collaboration wirklich?
Virtuelle Zusammenarbeit ist Kooperation im Team, wobei die einzelnen Kolleginnen und Kollegen allein zu Hause oder in irgendeinem Büro irgendwo auf der Welt arbeiten. Der Austausch von Informationen, Gedanken und Gefühlen sowie Arbeitsergebnissen muss digital erfolgen. Aus unserer Erfahrung bei Tools of Innovators besteht Remote Collaboration dabei aus mehreren Ebenen.
Das Individuum
Da ist zum einen die Isolation in der heimischen Umgebung, wenn man ins Home Office gezwungen wird, wie zu Zeiten der Corona-Krise. Damit umzugehen, bringt allein schon besondere Herausforderungen mit sich.
Die Gruppe
Die soziale Komponente ist ein extrem wichtiger Faktor. Wie tauscht das Team Informationen aus? Wo steht, was gerade läuft? Wie behalten die Kolleginnen und Kollegen den Überblick über Fakten, Projekte und den üblichen Klatsch und Tratsch?
Die Teamarbeit
Hier wird das Team gemeinsam produktiv. Ideen und Konzepte entwickeln, Entscheidungen vorbereiten, Informationen strukturieren und vieles mehr gehört hier dazu. Online geht das auch und teilweise auch überraschend gut – aber es erfordert andere Hilfsmittel und andere Arbeitsweise als das Video. Online-Whiteboards helfen hier zum Beispiel – wir zeigen in diesem Workbook wie das gehen kann.
Eine Herausforderung für alle
Diese Art zu Arbeiten erfordert jedoch ein Umdenken und Verhaltensänderungen. Denn im Umgang mit dem Arbeitsalltag allein zu Haus gibt es einen Reihe von Hürden, die es zu überwinden gilt:
Damit umzugehen ist nicht einfach. Wer könnte besser nachfühlen, wie sich die Isolation in einem erzwungen Home Office anfühlt, wie ein Mitglied einer U-Boot-Crew? Jon Bailey kennt aus seiner Zeit bei der britischen Royal Navy die Situation, wochenlang eingesperrt in einer gigantischen Zigarre aus Stahl. Er hat über die Jahre Antworten entwickelt. Das Leben auf See, schrieb Bailey, werde von Schichten und Routinen diktiert. Daher sein Tipp: Entwickelt eine Routine und haltet euch dran – inklusive Ruhephasen, Zeit für Bewegung, Mahlzeiten oder Hobbys.
So führt - und das ist die gute Nachricht – Remote Work auch dazu, dass wir uns bewusst darum kümmern, was gut für uns ist: die beruflichen Kalendereinträge bekommen Gesellschaft. Mittagessen, Sport mit den Kindern, Spaziergang, ein Video-Anruf mit guten Freunden.
Das lässt hoffen für die Zeit nach Corona.
Der Autor
Michael Leitl ist Director Strategy bei der Tools of Innovators GmbH.
Innovationsfähigkeit ist das Einmaleins des 21. Jahrhunderts. Dazu gehört Veränderungswille, Mut zum Lebenslangen Lernen und Neugier auf die Zukunft; die Schlüssel für meine Reise durch vier Berufe: Chemieingenieur, Harvard Business Manager Redakteur, Startup-Gründer und Innovationsberater bei TOI.