Katrin Engelbrecht | Hamburg@work: Du bist seit Juni 1998 selbstständig. Was machst Du und warum?
Melanie Kuhlmann: Meine Kernkompetenz ist die Power-Rhetorik und Präsentationskompetenz. Ich ermutige ambitionierte Frauen, sich im Unternehmen als Kompetenzträgerin zu positionieren und sich damit Anerkennung, Status und ein sehr gutes Einkommen zu sichern. Dafür habe ich einen eigenen Kurs entwickelt, der seit etwa zwei Jahren auf dem Markt ist.
Außerdem bilde ich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrer Präsentationskompetenz aus, damit sie sich für ihre Ideen stark machen, wichtige Entscheidungen vorantreiben und das Unternehmen gegenüber Kunden und Stakeholdern professionell positionieren können.
Und ich habe in den letzten fünf Jahren ungefähr 350 Agile Coaches trainiert und zertifiziert. Agile Coaches unterstützen Teams und Product Owner dabei, Produkte und Projekte iterativ zu entwickeln. Die dazugehörigen Meetings wie Konklave, Sprintplanung, Daily, Demo oder Retro moderiert der Agile Coach und sorgt damit für eine kontinuierliche Verbesserung der Kompetenzen und der Zusammenarbeit.
Warum ich das tue? Vertrauen und psychologische Sicherheit sind die wichtigsten Kriterien erfolgreicher Teams und somit erfolgreicher Unternehmen. Eine Schlüsselqualifikation, um diese Werte aufrecht zu erhalten, ist die Kommunikation. Ich möchte mit meiner Arbeit gerne einen Beitrag leisten, dass in einem vertrauensvollen Arbeitsumfeld jede und jeder mit Begeisterung sein Bestes gibt, dafür Anerkennung und Wertschätzung erhält und in diesem geschützten Raum Spitzenleistungen erbringen kann.
Katrin Engelbrecht | Hamburg@work: Wie kam es dazu, dass Du Dich selbstständig gemacht hast?
Melanie Kuhlmann: Ich hatte nach meinem BWL-Studium das große Glück, sofort eine Anstellung als Pressereferentin in einem großen Konzern zu bekommen. Gehalt und Sozialleistungen waren sehr attraktiv, das Büro in einem wunderschönen Gebäude in München. Großartig. Ich hatte dort mit den unterschiedlichsten Zielgruppen zu tun: Vorstände, Aufsichtsräte, Botschafter, Wirtschafts- und Politprominenz. Ich habe große Pressekonferenzen organisiert, Preisverleihungen mit Gästen wie Bundespräsident Roman Herzog oder war bei Unternehmenskonferenzen mit im Organisationsteam. Am meisten beeindruckt hat mich damals die Keynote von Helmut Schmidt. Allein mit diesem Mann einmal in einem Raum zu sein, neben ihm zu stehen, mit ihm zu sprechen – das war ein ‚life changing moment‘ für mich.
Der Job war spannend und abwechslungsreich oder – sagen wir so – wäre es gewesen. Denn in viele Bereiche kam ich nicht rein oder nur unter erschwerten Bedingungen, weil meine Führungskraft das systematisch unterbunden hat. Da einer meiner wichtigsten Werte Selbstbestimmung ist, habe ich nach vier Jahren meinen Hut gezogen. Natürlich nicht, ohne den festen Vorsatz ‚mein Ding‘ zu machen. Im März 1998 war es so weit, ich habe mein Herz in die Hand genommen und gekündigt. Drei Monate später war ich frei und hatte tatsächlich gleich ein Projekt von meinem ehemaligen Arbeitgeber, mit dem ich mich sehr gut über Wasser halten konnte.
Im Laufe der Zeit habe ich immer mehr Kunden gewonnen und hatte bald sieben Angestellte. Der Liebe wegen bin ich nach Regensburg gezogen und habe geheiratet.
Katrin Engelbrecht | Hamburg@work: Und privat?
Melanie Kuhlmann: Ich war überglücklich als im März 2003 unsere Tochter zur Welt kam. Leider bekam ich wenige Tage nach der Geburt schreckliche Gliederschmerzen und sehr hohes Fieber. Die Diagnose: Sehr aggressive rheumatoide Arthritis. Die Therapie: hochdosiertes Cortison, Unmengen an Schmerzmitteln und wöchentlich zwei Spritzen. Ich ging auseinander wie ein Hefeteig und sah aus wie ein Michelin-Männchen. Mein Selbstwert marschierte in den Keller, ich passte vom Selbstbewusstsein her mit Hut unter einen Teppich.
Da mein damaliger Ehemann nicht für den Lebensunterhalt sorgen konnte, musste ich das übernehmen. Also übergab ich schweren Herzens meine fünf Wochen alte Tochter in die Obhut meiner Schwiegermutter und ging vollgepumpt mit Cortison und Schmerzmitteln in die Arbeit. Nachts habe ich mir oft die Augen ausgeheult. Es war eine sehr belastende Zeit. Ein Jahr später ging meine Ehe auseinander und mein Ex-Mann ging ins Ausland. Meine Schwiegermutter kündigte als Tagesmutter und ich war kurz davor, zusammenzubrechen. Also nahm ich meine Tochter mit ins Büro, richtete dort alles so ein, dass sie dort spielen und schlafen konnte und suchte parallel nach einem neuen Zuhause.
Dank einer glücklichen Fügung fand ich ein Haus in unmittelbarer Umgebung meiner Eltern, die mich in der Betreuung meiner Tochter tatkräftig unterstützten und zog wieder von Regensburg nach Fürstenfeldbruck. Meine Angestellten in Regensburg brachte ich bei Kunden unter oder half ihnen in die Selbstständigkeit und machte mit nur einem Mitarbeiter in meiner alten Heimat Fürstenfeldbruck weiter.
Heute ist meine Tochter 19 und ein sehr intelligentes und wunderschönes Mädchen. Meine Krankheit habe ich mittlerweile gut im Griff. Ich übe meinen Traumberuf als Soft Skill Trainerin und Präsentations-Coach aus und ich kann mich um meine Eltern kümmern. Ich habe ein großartiges Verhältnis zu meiner Familie und zu meinen Freunden.
Katrin Engelbrecht | Hamburg@work: Was ist Deine Motivation?
Melanie Kuhlmann: ‚Aufgeben ist keine Option.‘ und ‚Geht nicht, gibt‘s nicht.‘
Ich habe mich schon als Jugendliche mit Dale Carnegie „Sorge Dich nicht, lebe“ beschäftigt. Später gesellten sich Byron Katie („Lieben, was ist“), Jens Corssen („Der Selbstentwickler“), René Egli „Das LOLA-Prinzip“) und viele andere zu meinen Vorbildern hinzu. Meine positive Grundhaltung, der Glaube an Gott und die Stärke, mit der er mich ausgestattet hat, sowie der Rückhalt meiner Familie waren und sind meine zuverlässigen Begleiter.
Eine weitere Motivation ist, meiner Tochter ein gutes Leben zu bieten. Sie sollte nicht darunter leiden, dass ihre Eltern es nicht hinbekommen haben. Dieser Wunsch ist leider eine Utopie. Kinder leiden IMMER, wenn Eltern sich trennen bzw. wenn sie nicht die klassische Idylle erleben. Aber ich habe alles getan, damit es für sie möglichst leicht wurde. Wir haben heute ein sehr gutes Verhältnis, an dem wir beide auch immer wieder arbeiten.
Ein Held meiner Kindheit war Wickie aus Wickie und die starken Männer. Wickie hatte oft Angst vor unangenehmen Situationen, aber er hatte auch immer eine Lösung parat. So bin ich auch, klar habe ich manchmal Bedenken oder Ängste, aber letztlich finde ich immer eine Lösung.
Katrin Engelbrecht | Hamburg@work: Was waren Deine größten Herausforderungen?
Melanie Kuhlmann: Selbstständig zu sein, ein kleines Kind allein zu erziehen und eine schwere Krankheit in Schach halten zu müssen, ist keine leichte Aufgabe. Sie erfordert ein Höchstmaß an Disziplin, Organisationstalent und positiver Lebenseinstellung. Glücklicherweise habe ich das und bin auch sehr ambitioniert und begeisterungsfähig. Ich kann bei spannenden Projekten die Nacht zum Tag machen.
Eine weitere Herausforderung, die ich nennen möchte, war das Verhalten meines langjährigen Geschäftspartners, dem ich blind vertraut hatte. Doch ehe ich mich versah, verschwand er mit einem sechsstelligen Umsatz. Selbst schuld, könnte man sagen. Ich möchte sagen: Auch daran bin ich gewachsen. Diese Erfahrung hat mich sehr viel Geld gekostet und noch mehr Nerven. Aber letztlich machen die wenigsten Menschen irgendetwas aus purer Bosheit, sie denken vielleicht nur nicht daran, dass ihr Verhalten auch Konsequenzen für jemand anderen hat. Und letztlich hat es dazu geführt, dass ich mich in der Folgezeit voll und ganz meinem Herzensthema, dem Training und Coaching, widmete. Das hätte ich sonst vielleicht nicht getan.
Katrin Engelbrecht | Hamburg@work: Wofür bist Du dankbar?
Melanie Kuhlmann: Ich habe eine wundervolle Familie, großartige Freunde und sehr wertschätzende Kunden. Das trägt und motiviert mich. Dieser Respekt und dieser Zusammenhalt sind unglaublich wertvoll für mich. Ich darf das tun, was ich liebe, ich kann mir die Dinge leisten, die mir wichtig sind, ich habe ein traumhaftes Zuhause, eine wunderschöne, warmherzige und intelligente Tochter – und ich habe meine Krankheit soweit im Griff, dass ich mit ein paar Einschränkungen gut leben kann. Ich bin ein sehr gesegneter Mensch.
Katrin Engelbrecht | Hamburg@work: Was würdest Du unseren Leser:innen gerne als Tipp mitgeben?
Melanie Kuhlmann: Mach es Dir niemals im Ohrensessel der Opferrolle bequem. Du bist stärker als Du denkst und Du hast eine VerANTWORTung. Also leg Dich nicht mit der Realität an. Wenn Du in einer schwierigen Situation bist, akzeptiere sie und finde eine ANTWORT, indem Du nach Lösungswegen suchst. Dazu gehört auch, Menschen zu vergeben, die es nicht besser wussten. Halte immer Kontakt zu Deiner Familie und Deinen Freunden und bleibe zu jeder Zeit selbstreflektiert. Verabschiede Dich von Zeitdieben und Neidern und umgib Dich nur mit Menschen, die da sind, wo Du sein möchtest und Dir wohlgesonnen sind. M – kfdn