Lieber Herr Hermanns, welche sind die aktuellen Digitalisierung-Trends in Ihrer Branche?
Der wohl wichtigste aktuelle Trend ist die Verlagerung des Fokus von der reinen Faszination für das technologisch Machbare zurück zum Endnutzer, also zum Menschen und seinen Bedürfnissen. Wo kann uns digitale Technologie tatsächlich den Alltag erleichtern? Auf welche Weise kann sie zu einem gesünderen Leben beitragen? Wie können wir sie zum Wohle der Umwelt nutzen? Das sind die Fragen, die jeder smarten Entwicklung zugrunde liegen sollten. Dieser Anspruch, die Lebens- und Arbeitswirklichkeit der Menschen konkret verbessern zu wollen, ist das, was Zukunftsfähigkeit ausmacht, ganz gleich ob wir im Einzelnen dann über Virtual Reality-Anwendungen, Building Information Modeling, IoT-Technologie oder Künstliche Intelligenz sprechen. In der Immobilienbranche sehen wir als EDGE Technologies uns hierbei durchaus in einer Vorreiterrolle.
Welche Chancen bietet die aktuelle Entwicklung für eine Neuerfindung des herkömmlichen Arbeitsumfelds und welche maßgeblichen Veränderungen sehen Sie auf dem Weg zum Unternehmen 4.0?
Flexibilisierung, Individualisierung und Automatisierung sind die Kernthemen, wenn es um moderne Arbeitswelten geht. Auf allen drei Gebieten wachsen die Ansprüche der Nutzer kontinuierlich. Und die sind gleichermaßen Effekt und Motor der Digitalisierung. Um ein Beispiel zu geben: Die Existenz von Smartphones und Laptops macht die Menschen prinzipiell unabhängig von festen Arbeitsplätzen. Das wird als Freiheit erlebt und folglich zu einem Anspruch an den Arbeitgeber. In Zeiten, in denen alle über den Kampf um Young Talents und High Potentials sprechen, müssen sich Arbeitgeber darauf einlassen und ein anderes Bürokonzept anbieten – mit weniger festen Arbeitsplätzen, mehr flexibel nutzbaren und am besten modular nach Bedarf zu buchenden Flächen. Gleichzeitig erkennen Arbeitgeber zunehmend die ökonomische Relevanz von Gesundheit und Effizienz der Mitarbeiter. Das Unternehmen 4.0 wird also darauf achten, unnötige Stressfaktoren zu minimieren und Arbeitsbedingungen zu schaffen, die der Konzentration und dem individuellen Wohlbefinden förderlich sind. Dieser Entwicklung müssen auch die „Provider von Büroimmobilien“, wie Projektentwickler und Investoren, vorausschauend Rechnung tragen.
Smart Office ist ein häufig verwendetes Buzzword im Digitalisierungskontext. Was verstehen Sie darunter?
Das Smart Office steht im Zentrum der beschriebenen Transformation der Arbeitswelt. Denn Flexibilisierung kann nur dann wirklich als Freiheit erfahren werden, wenn die zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze auch umfänglich konfigurierbar sind, beispielsweise was Lichtverhältnisse oder klimatische Bedingungen betrifft. Der Wunsch nach Individualität endet ja nicht beim Desktop-Hintergrundbild. Gleichzeitig bewirken die Geschwindigkeit und Effizienz, mit der die in den meisten Branchen bereits weitgehend digitalisierte Arbeit ausgeführt wird, dass man immer weniger Verständnis für zeitraubende Tätigkeiten hat. Deshalb werden das Nachfüllen von Druckerpapier, Raumbuchungen, Parkplatzsuche oder auch Wartezeiten am Fahrstuhl zunehmend automatisiert – mittels der Vernetzung von Gerätschaften im Internet of Things und intelligenter Nutzerdatenanalyse. Dies entlastet die Arbeitnehmer, weil es den Kopf für die wesentlichen Dinge freimacht. Wer also beim Begriff Smart Office an Science-Fiction-Bilder von Räumen voller surrender und blinkender Gerätschaften denkt, der könnte falscher nicht liegen.
Vor welchen Herausforderungen stehen Unternehmen hinsichtlich des Smart Office Gedankens?
Die größte Herausforderung ist wohl die, sich der Herausforderung zu stellen, als Unternehmen die ökonomischen Vorteile zu realisieren. Innovationen sind schließlich immer mit Investitionen verbunden, die sich im Falle des Smart Office aber sehr schnell auszahlen – zum Beispiel durch rückläufige Krankenstände, effizientere Arbeitsprozesse und nicht zuletzt eine höhere Attraktivität des Unternehmens für junge, kreative Talente. Eine repräsentative Umfrage des Zentralen Immobilienausschuss (ZIA) spricht diesbezüglich eine deutliche Sprache: 81 Prozent der befragten Büronutzer wünschen sich eine umfassende Konnektivität ihrer Arbeitsplätze im Sinne des Smart Office-Prinzips.
Nun ganz konkret: Wie kann man mithilfe smarter Technologie gesündere Arbeits- und Lebensbedingungen schaffen? Können Sie ein Beispiel aus der Praxis beschreiben?
Wenn ich morgens zur Arbeit komme und erst mal eine Viertelstunde durch die Tiefgarage kreuze bis ich eine freie Ladestation finde, wenn ich danach noch fünf Minuten auf den Fahrstuhl warten muss, nur um anschließend festzustellen, dass das Büro auf 12 Grad runtergelüftet wurde, dann beginnt mein Tag mit allerlei Stress, der nichts mit meiner eigentlichen Arbeit zu tun hat. Wenn dann noch der Kaffeeautomat leer ist und ich anschließend eine halbe Stunde durch das Gebäude irre, um meinen Projektpartner ausfindig zu machen, ist der Tag schon halb gelaufen. Wie schön ist es dagegen, wenn ich direkt in die nächste freie Parkbucht geleitet werde, der Fahrstuhl schon auf mich wartet, mein nach jeweiliger Stimmung gewählter Arbeitsplatz sich automatisch auf mein Wohlfühlklima einstellt, Kaffeeautomat und Drucker immer betriebsbereit sind und ein einziger Blick aufs Display meines Smartphones mir den Aufenthaltsort des Projektpartners verrät. Ich spare dabei nämlich nicht nur Zeit, sondern auch Kraft und Nerven. Vor allem aber kann ich mich auf den Teil meiner Arbeit konzentrieren, den ich als sinnstiftend begreife. Und wer das kann, der wird nur halb so oft krank. Das belegt auch der aktuelle Fehlzeitenreport der Krankenkassen. Ein anderer – oft vernachlässigter – Faktor für gesundes Arbeiten ist Licht. Zum Wohle der Augen gilt es hier, in möglichst großem Umfang natürliches Tageslicht nutzbar zu machen oder mit Vollspektrum-Tageslichtlampen zu simulieren. Aber selbstverständlich gibt es auch gesundheitsfördernde Maßnahmen jenseits smarter Technologien. Da geht es um Fragen von Design, Architektur und Materialität. Edge Technologies hat es sich zur Aufgabe gemacht, Gesundheit und Wohlbefinden der Nutzer gleichzeitig auf all diesen Ebenen, also quasi ganzheitlich zu betrachten. Wie gesagt: Im Mittelpunkt steht der Mensch.