Frau Carlsen, wie sind Sie mit den Themen Human Resourcesund Digitalisierung in Kontakt gekommen?
In der IT habe ich von Anfang an gearbeitet, ab Ende der 90er Jahre dann auch im Personalbereich. Was mich persönlich umtreibt, war schon immer die Neugierde auf Menschen, Kommunikation und Psychologie. Nach mehr als 25 Jahren Vertrieb und Marketing in HR und IT habe ich 2008 beschlossen, etwas ganz Neues zu machen und habe mich als Business-Coach und -Trainer, Mediator und Moderator ausbilden lassen. Seit 10 Jahren bin ich selbständig und unterstütze mit der changemanufaktur Unternehmen und ihre Mitarbeiter in Change Prozessen, Schwerpunkt Organisationsentwicklung und Diversity. Zusätzlich führe ich Workshops und Beratungen zu den Themen Führung, Kommunikation und Konflikt durch. Als zertifizierte Mediatorin unterstütze ich Unternehmen bei der Lösung von Konflikten.
Sie sind im Managementboard von Hamburg@work aktiv. Wann startete die Zusammenarbeit und wie hat sie sich entwickelt?
Die Digitalisierung begann ja schon mit dem Internet-Hype Ende der 90er Jahre. Damals habe ich gedacht, dass es ohne HR nicht funktionieren kann. Doch das HR-Thema war in einem IT-Netzwerk noch nicht angekommen. 2004 entschloss ich mich dann zu einer Mitgliedschaft bei Hamburg@work. Als Niederlassungsleiterin der DIS AG war ich im HR-Bereich tätig und habe in Hamburg und Norddeutschland den neuen Geschäftsbereich IT mitgestaltet. IT-Projekte waren mein täglich Brot, da meine damaligen Mitarbeiter ausschließlich als Projektmanager und Projektunterstützer in IT-Projekten tätig waren.
Zusammen mit der KWB Koordinierungsstelle Weiterbildung und Beschäftigung e.V. habe ich dann für Hamburg@work den ersten Arbeitskreis Personal gegründet und drei bis fünf Veranstaltungen pro Jahr angeboten. Dieses Format war der Vorläufer der HR-Group, welches immer noch sehr erfolgreich von der KWB in Kooperation mit Hamburg@work für Mitglieder und Nicht-Mitglieder kostenlos drei bis viermal pro Jahr angeboten wird.
Ende 2015 saßen Uwe Jens Neumann und ich zusammen, wir wollten beide etwas Neues kreieren. Mir war von Anfang an aufgefallen: IT und auch Hamburg@work ist überwiegend männlich; soll heißen, auf den Veranstaltungen nehmen zu wenig Frauen teil. Da hat sich in den 25 Jahren meiner IT-Laufbahn nicht wirklich viel entwickelt. Die logische Konsequenz: Wir gründeten Anfang 2016 den Women's Club. Unser Ziel: Wir stellen den Damen der IT eine Plattform zur Kommunikation, zum Netzwerken und zum Erfahrungsaustausch zur Verfügung – eigene, geschlossenen Veranstaltungen für Frauen von Frauen. Unser Konzept ging auf, die Veranstaltungen des Women`s Club sind sehr erfolgreich und erfreuen sich hoher Beliebtheit. Ich denke, dieser Erfolg und meine HR-Kompetenz hat Uwe Jens dazu bewogen, mich zu fragen, ob ich den neuen „Agile HR Club“ leiten möchte. Und das ist natürlich genau mein Thema.
Was können Sie uns heute schon zum neuen Agile HR Club verraten?
Wir planen ein geschlossenes Format, zu dem wir Personalmanager, HR-Verantwortliche und Führungskräfte aus Unternehmen, die auch HR-Verantwortung haben, einladen. Wir werden keine Berater oder Coaches in diesen Zirkel mit aufnehmen. Es soll ein Format werden, in dem sich die Mitglieder untereinander austauschen und ihre Themen mitbringen können. Ähnlich wie unser IT Executive Club. Meine Rolle wird vor allem die Moderation der Veranstaltungen sein. Agilität bedeutet in der Arbeitswelt u.a. ein hohes Maß an Eigenverantwortung, Flexibilität und Dynamik. Genauso stelle ich mir das Wirken des Agile HR Clubs und die Zusammenarbeit zwischen den Gründungsmitgliedern vor. Am 19. September fand die Kick-off-Veranstaltung statt. Hier haben wir die Vorschläge der Gründungsmitglieder abgefragt und unser Konzept danach ausgerichtet. Im Agile HR Club werden die Mitglieder die Möglichkeit zur Mitgestaltung haben. Ich fungiere dabei als Schnittstelle zwischen dem Projektteam von Hamburg@work und den Mitgliedern des Agile HR Clubs.
Warum ist es so wichtig, dass die Mitglieder sich in den Club einbringen?
Agilität ist die Zukunft. Die Digitalisierung und der fortschreitende Transformationsprozess lassen den Unternehmen und damit den Menschen keine andere Wahl. Zusätzlich strömen junge Menschen mit einer veränderten Haltung zu Arbeit und Leben auf den Markt: die Generation Z und die Jüngeren der Generation Y. Damit meine ich die nach 1990 Geborenen. Die Menschen dieser Jahrgänge sind beinahe komplett digital aufgewachsen. Fast die Hälfte von ihnen sind bereits seit mehr als fünf Jahren im Job oder treten gerade in den Arbeitsmarkt ein. Wir wissen, dass diese jungen Menschen ganz anders arbeiten wollen und andere Werte haben als jemand, der zehn oder 15 Jahre älter ist oder den Baby-Boomern (ab JG 1964+) angehört. Unternehmen müssen sich und ihr HR-Management verändern bzw. anpassen, wenn sie zukünftig für die Jüngeren ein attraktiver Arbeitgeber sein wollen. Das empfinde ich als eine große Herausforderung und ich möchte diese Zukunft zusammen mit unseren Mitgliedsunternehmen gestalten. Das wird uns gelingen, wenn wir uns agil von unserer ganzen Haltung her entwickeln.
Der Begriff Agile HR taucht ja auch immer mehr in den Medien auf. Können Sie uns beschreiben, was er eigentlich bedeutet?
Das Wort Agilität steht für Flexibilität, Eigenverantwortung, Mitdenken und Dinge nach vorne zu treiben sowie eine hohe Kundenorientierung. Ursprünglich kommt der Begriff aus dem IT-Projektmanagement. Agile heißt u.a. kurze Sprints, eigenverantwortliches Arbeiten, hohe Dynamik und Flexibilität. Durch Feedbackschleifen und Retrospektiven werden das Ziel und vor allem der Nutzen für den Kunden ständig überprüft und ggf. auch korrigiert. „Agile“ ist für mich eine Haltung, denn für agiles Arbeiten benötige ich eine sehr gute Kommunikation zwischen allen Beteiligten, einen hohen Grad an Transparenz, einen reifen Umgang mit Feedback und den Willen zum eigenverantwortlichen Arbeiten. Die Basis dafür ist eine starke Vertrauenskultur, sonst kann das nicht funktionieren.
Inwiefern werden denn heute in Unternehmen Projekte anders durchgeführt als noch vor zehn Jahren und wie wirkt sich das auf HR aus?
Früher (lacht – zehn Jahre ist ja noch nicht so lange her) wurden Projekte langfristig geplant, Meilensteine und Ressourcen festgelegt. Das war mitunter stark strukturiert und sehr starr, es gab wenig Spielraum für Flexibilität oder gar spontane Änderungen. Im agilen Projektmanagement gibt es kurze Projektphasen, sogenannte Sprints. Es wird viel kommuniziert und durch die ständigen Feedbackschleifen können sich die Ziele auch ändern. Im Fokus steht der Kunde. Dieser Entwicklung wird sich auch HR nicht verschließen können. Die Digitalisierung macht vor HR nicht halt. Neue Instrumente und Tools werden zum Einsatz kommen und auch die Konzepte für Personalentwicklung werden sich kurzfristig verändern: Kompetenzen für Führung und Kommunikation in der VUKA-Welt werden zukünftig im Fokus sein. Die HRler werden ihre Rolle neu definieren: Sie werden Gestalter ihres Bereiches und Gestalter der Unternehmenskultur sein. Da kommen Fragen auf wie, „was wollen die Mitarbeiter, wie wollen wir uns als Unternehmen entwickeln, wie sollten wir unsere Mitarbeiter fördern und entwickeln?“ Im Zeichen der Digitalisierung und des immer stärker werdenden Fachkräftemangels wird ein „Agile HR-Management“ der entscheidende Wettbewerbsvorteil sein.
Was müssen Führungskräfte und Mitarbeiter noch lernen?
Wir beobachten, dass Hierarchien abgebaut werden, die Mitarbeiter entscheiden selbst und übernehmen mehr Verantwortung. Das geschieht nicht nur bei Fachthemen, sondern auch in den Fragen um Arbeitsplatz- und Tagesgestaltung. Wenn Mitarbeiter sich frei entwickeln und eigenverantwortlich arbeiten können, dann steigen nicht nur Leistungsbereitschaft und Motivation, sondern sie werden kreativ und innovativ. Führungskräfte müssen lernen, diese Ressourcen und Potenziale zu erkennen, zu fördern und auch zu lenken. Konkret heißt das, Vertrauen und Beziehung stärken, klar und transparent die Ziele vermitteln sowie in kurzen Abständen gezielt Feedback geben, aber auch annehmen können. Die Führungskraft übernimmt verstärkt die Coach-Rolle, sie begleitet die Mitarbeiter bei der eigenverantwortlichen Umsetzung der Projekte – ein permanenter Begleiter unserer Zeit ist die Veränderung. Change ist allgegenwärtig und Führung im Change-Prozess ist für Führungskräfte die Kür. Viele Führungskräfte sind da schnell überfordert.
Mitarbeiter sind ebenfalls aufgefordert, ihre Kommunikationsfähigkeiten auch im Konflikt zu optimieren. Trotz immer mehr Diversität und immer mehr unterschiedlichen Arbeits- und Lebensmodellen muss man sich auf den anderen verlassen können. Eine Kultur der Toleranz und Wertschätzung sind ein MUSS.
Was bedeutet dieser Prozess für die Kommunikation im Unternehmen?
Die Kommunikation wird sich weiter verändern: Offenheit, Transparenz, die Vermittlung von klaren Zielen. Und auch das Managen von Konflikten wird immer wichtiger werden. Das hört sich vielleicht banal an. Aber die Kommunikationskompetenzen vieler Fach- und Führungskräfte sind wirklich ausbaufähig – und das nicht nur in den technischen Bereichen. Storytelling, Werte und Ziele vermitteln, dadurch Begeisterung wecken, aber auch wenn es sein muss, Konflikte lösen und häufiges Feedback geben – alles das ist Kommunikation und wird zukünftig verstärkt umgesetzt werden.
Was kann der Agile HR Club in diesem Kontext tun?
Im Agile HR Club kommen zwei wichtige Themen zusammen: Digitalisierung und intelligentes Personalmanagement. Digitalisierung funktioniert nur, wenn sich HR „neu“ erfindet durch ein modernes HR-Management inkl. modernster Personalentwicklung. Wir haben nicht nur ITler und Startups in unserem Netzwerk, sondern auch Unternehmen, die gerade anfangen, über Digitalisierung nachzudenken oder schon mitten im Change Prozess sind. Hier muss HR unterstützend tätig sein. Diesen Unternehmen wollen wir helfen, indem wir ihnen Kompetenzen vermitteln durch den Austausch von Erfahrungen und Fachwissen. Denn wenn die Menschen im Prozess der Digitalisierung nicht mitgenommen werden, kann es nicht funktionieren. Viele Mitarbeiter haben Angst um ihren Arbeitsplatz, gerade wenn sie vorher wenig Kontakt mit digitalen Themen hatten. Hier müssen Prozesse und Kommunikationskulturen geschaffen werden, die alle Mitarbeiter abholen. So dass das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern gemeinsam erfolgreich den Weg der Digitalisierung gehen kann.
Mit dem Agile HR Club schaffen wir eine Plattform des gemeinsamen Lernens, des Erfahrungsaustausches und die Möglichkeit des Vernetzens unter den HRlern. Ich bin davon überzeugt, dass Austausch von Wissen und Erfahrungen – und zwar über die Unternehmensgrenzen hinweg – den Unternehmen einen großen Mehrwert bringen wird. Silo-Denken ist ein Auslaufmodell. Wissen teilen und gemeinsam an Ideen arbeiten – das ist die Zukunft.